Sehr geehrter Herr Löhe...

Sie sind fürwahr nicht der erste Journalist, der sich die Aufgabe zum Ziel gesetzt hat, über des Techno (neue und derzeit vielbesungene) Kathedrale einen Artikel zu verfassen. Sie sind auch bei weitem nicht der erste Journalist, der an dieser Aufgabe kläglich gescheitert ist.


Zwar beherrschen Sie Ihr journalistisches Grundwerkzeug aus dem Effeff - szenischer Einstieg zu Beginn, den Leser mitten hinein ins (bunte) Geschehen und (wilde) Treiben werfen, um dann loslegen zu können mit etwas, das in Fachkreisen sehr gerne als Reportage oder Feature bezeichnet wird - die Deklination der Abgrenzungstheorien, die sich um Reportage und Feature ranken, überlasse ich Ihnen. Mit einem Drogenverkaufs- beziehungsweise Drogenbeschaffungsgespräch als aufmerksamkeitsweckenden Akzent einsteigen, offenbart doch in wenigen, sprachlich zudem sehr dürftigen Worten, dass es dem Autor des vorliegend besprochenen Textes, also Ihnen, lediglich um eines geht: auf Effekthascherei und die schnelle Sensationslust abzielen!


Das ist Ihnen vortrefflich gelungen und zeichnet Sie als Meisterschüler Ihres Abschlussjahrgangs aus, der Sie sicher waren.


Sofern und soweit man nach dem Lesen Ihres ersten Absatzes überhaupt noch Willens ist, seine kostbare Zeit für Ihre folgenden Zeilen zu verschwenden, wird man sehr schnell feststellen dürfen, ja müssen: Sie bedienen, genauso wie Ihre Kollegen, ein abgegriffenes, abgeschliffenes, breitgetretenes Klischee(-bild), das sich schon seit den Anfangszeiten einer Clubkultur im Allgemeinen, des Techno im Besonderen, in den Köpfen einer (unter-)durchschnittlich aufgeklärten und verständigen Leserschaft festgesetzt hat: die Verbindung von elektronischer (Club-)Musik mit ausschweifendem Drogenkonsum und hemmungslos ausgelebter Sexualität. Auch Sie sind nicht in der Lage, etwas anderes als einen wiederholt wiedergekäuten literarischen Dünnbrei abzuliefern.


Dieser, Ihrem Arbeitsauftrag zwar zur Genüge reichender, jedoch ansonsten gänzlich miserable Einstieg, sei Ihnen noch gegönnt. Auch ein erfahrener Journalist wie Sie bedarf hin und wieder ein zwei Sätze, um warmzulaufen. Dass Sie im Folgenden es jedoch nicht vermögen, einen Schritt außerhalb der allergängigsten Klischees zu gehen, dass Sie sich Absatz für Absatz nur und ausschließlich am Thema Sex und Drogen abarbeiten, dass sie allerhöchstens in einem Neben- oder Nachsatz auf die Musik eingehen, ist enttäuschend und lässt den Rückschluss zu, dass Sie sich bis zu Ihrem Besuch im Berghain / Panoramabar noch nie oder nur ansatzweise mit Clubkultur, mit House und Techno auseinandergesetzt haben.


Ihr andauerndes Besingen irgendwelcher – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch nicht einmal am eigenen Leib erfahrener – Drogeneskapaden und Sexorgien lässt sie als kleines, unerfahrenes und in höchstem Masse unsicheres Kind erscheinen, das seine Mutter zum ersten Mal auf einen vorweihnachtlichen Einkaufsbummel begleiten darf. Alles glänzt, alles glitzert, alles leuchtet, alles strahlt, von überall her dringen Musik und Stimmen auf Sie ein, an jeder Ecke umwehen Sie andere Gerüche, und die vielen verschiedenen Menschen erst. Sowohl das kleine Kind als auch Sie sind wegen absoluter Reizüberflutung überfordert, mit der logischen Folge, dass Sie keine Verbindung, keine emotionale Brücke zum Club, zu den Menschen, zur Musik herstellen konnten und können und allein aus diesem Grund nicht in der Lage waren, Ihre Erlebnisse entsprechend zu kommunizieren.


Narrativ auf der einen, informativ auf der anderen Seite, so sollte eine Reportage, ein Feature doch aufgebaut sein. Jedenfalls kann und darf man davon ausgehen, dass Sie es – irgendwann einmal – so gelernt haben. Doch der Informationsgehalt Ihres Artikels tendiert gegen Null, genauso wie der Erzählwert sich bedrohlich schwach ausnimmt!


„Im Berghain ist die Musik einfach geil“ – Ihr einziger Satz, den Sie über die Musik verlieren, ist noch nicht einmal Ihr persönliches Fazit. Sie machen sich lediglich die Aussage eines Clubgängers zu Eigen. Sie verkennen daher, dass dieser Club, sein unmittelbarer Vorgänger sowie zahlreiche weitere Monumente der (Berliner) Clubkultur (Tresor, WMF, E-Werk), sich ihren Status vornehmlich durch etwas erarbeitet haben, woran sie (noch heute) bewertet und gemessen werden: die Musik. Ein Ort, an dem House noch House, Techno noch Techno sein darf, ein Ort, der sich zeitgeistigen Trends nicht verschließt, beispielsweise Dubstep oder die Hinwendung zur klassischen Musik aufgreift und in einen Clubkontext überträgt, wird von Ihnen auf zwei Schlagworte reduziert. Sex & Drugs.


Seien Sie (auch zu sich selbst) ehrlich: machen Sex und Drogen einen Club aus? Dreht sich nicht alles immer nur um das Eine, ob beim ersten Frühlingsspaziergang durch den Stadtgarten, im Sportverein oder in der Lerngruppe an der Universität? Körperliche Anziehungskraft, sexuelle Begierlichkeiten, der Wunsch nach Rausch, nach sich verlieren, verloren sein, gefunden, aufgehoben, getragen, geliebt zu werden, begleitet das menschliche Leben schon von Beginn seiner Existenz an.


Höchst armselig und erbärmlich daher, dass Sie ein mutmaßlich persönliches Erlebnis, den Besuch des Berghain, aus der Rückschau derart verkürzt wiedergeben, und sich obendrein noch an der sexuellen Orientierung und an den sexuellen Präferenzen Ihrer Mitmenschen auf einem bereits sprachlich grenzwertigen Niveau auslassen müssen. Vom Mangel an inhaltlicher Substanz, den diese Auslassungen haben, ganz zu schweigen!


Viel enttäuschender allerdings ist jedoch, dass Sie zu keiner Zeit imstande waren, eine Atmosphäre aufzubauen, die den Leser einhüllt, die dem Leser die Möglichkeit verschafft, eine Nacht im Berghain / Panoramabar miterleben, nachempfinden zu können. Doch möglicherweise kam und kommt es Ihnen ja gar nicht darauf an. Möglicherweise sind Sie zu sehr Online-Journalist und wissen sehr wohl, welche Schlagworte die notwendigen Klicks generieren. Falls dies der Grund und Anlass Ihrer inhaltlichen Substanzlosigkeit ist, falls Sie den Artikel tatsächlich nur um Ihres Schreibauftrages so verfasst haben, liefern Sie doch das nächste Mal einfach einen Montage-Text, bestehend aus Hegemann’schen Bruchstücken bei Ihrem Chefredakteur ab. Dieser hat im Zweifel noch weniger Ahnung als Sie, so dass Sie sich erstens Zeit, und zweitens auch noch die zwölf Euro Eintritt sparen können.


Zum Abschluss bleibt mir nur noch folgendes zu sagen: „Also viel krasser, als in Ihrem Artikel, kann es eigentlich nicht mehr kommen.“

(P.S. Der besprochene Artikel findet sich bei Focus-Online unter: Ein Club wie eine Droge)

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