Cheng Guorong | Cinderella Is Out, Cheng Is In

Cheng Guorong (34) lebte in Schanghai auf der Straße. Bis eine Modebloggerin ihn fotografierte, ins Netz stellte und berühmt machte. Die fragwürdige Karriere einer traurigen Stil-Ikone beginnt. 
Es gibt Geschichten, die klingen wie ein Märchen. Die von Cheng Guorong zum Beispiel. Bis vor einigen Wochen lebte er auf der Straße, suchte nach Zigaretten, hatte verfilztes Haar, und was er zum Anziehen brauchte, klaute er sich im Müll zusammen. Dann fotografierte ihn jemand, stellte das Foto ins Internet, und aus Cheng Guorong wurde „Brother Sharp“. Eine Mode-Ikone mit scharfem (engl.: sharp) Blick, den plötzlich Tausende asiatische Blogger verehrten. Sie nennen ihn den „am besten aussehenden Vagabunden“ und loben seinen „Sinn für Stil“ und den zeitlosen „homeless-chic“. Sie kreieren für ihn sogar ein Facebook-Profil. 7762 Fans hat er dort mittlerweile.

Vom Bettelprinzen zum Mode-König der Straße – Märchen oder Albtraum?

Cheng Guorongs Geschichte ist die eines traurigen Abstiegs. Seit sieben Jahren lebt er auf der Straße, ist psychisch verwirrt und hat den Kontakt zu seiner Familie verloren. Er, der zuvor ein stilles Leben auf der Straße führte, war plötzlich von Tausenden umringt. Video-Ausschnitte zeigen die offensichtliche Überforderung des Obdachlosen.Der Bettel-Trend ist in der Fashionwelt nichts Neues: Vom Grunge-Stil des Kurt Cobain über den Boho-Schick der Olsen-Twins bis hin zu den großen Designern. Vivienne Westwood schickte bei der Mailänder Fashion-Week einige ihrer Models im Obdachlosen-Look mit Einkaufswagen und Isomatte über den Laufsteg. Armut wird zum Accessoire, getragen als süßes Understatement der Modebranche. Lumpen-Look trifft Luxus-Label. Arm aussehen ist schick – aber nur, wenn man teuer dafür bezahlen kann.

Das konnte Cheng Guorong nicht. Wahrscheinlich hat er den Rummel um seine Person am allerwenigsten verstanden: Der Vagabund wurde von einer Welt vereinnahmt, in die er nicht gehört. Immerhin hat seine Familie ihn auf den Fotos im Netz erkannt und ihn wieder nach Hause geholt. Manchmal ist es gut, wenn Märchen nicht auf dem Schloss enden.


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