Leyli & Meurtre, Paris, 16.01.11


Konzert: Leyli & Meurtre (Lafidki), Paris, 16.01.11

Ort: Café de Paris, Paris
Datum: 16.01.2011
Zuschauer: 20
Konzertdauer: jeweils etwa 45 Minuten


An dieser Stelle möchte ich mal kurz meine Mutter in Berlin lieb grüßen. Wir haben uns heute sehr angeregt am Telefon unterhalten und ein wichtiger Grund, warum ich weitherhin motiviert an diesem Blog arbeiten kann, ist die enorme Rückendeckung von Mutti! Danke! Ohne dich hätte ich schon hingeschmissen!

Der andere wesentliche Grund (natürlich neben den aufmunternden Kommentaren und der guten Leserresonanz, danke, danke, danke!) warum es hier weitergeht, ist die Leidenschaft, die ich für die Künstler, gerade die jungen und unerfahrenen, entwickelt habe. Und Leidenschaft kommt tatsächlich auch von leiden. Ich leide regelrecht mit diesen mutigen und kreativen Menschen mit, sehe wie sich abrackern müssen, um oft schlechtbezahlte Konzerttermine zu finden, weiß, daß sie bei irgendwelchen entfernt bekannten Leuten oder in miesen Hotels übernachten müssen, völlig übermüdet vor einer Handvoll von Leuten auftreten, gegen ihr Lampenfieber ankämpfen und auf der Bühne dennoch ihr Allerbestes geben. Und dann fahren sie meistens noch in der gleichen Nacht mit einem gammeligen Kleinbus zum 500 Kilometer entfernten nächsten Konzert weiter, wo sie manchmal für 30 Euro (und teilweise weniger) spielen und zwei selbstgebrannte CDs verkaufen. Kaum einer der vergnügungssüchtigen Konzertbesucher macht sich ein genaues Bild von diesem harten Leben. Aber genau diese widrigen Umstände sind der ideale Nährboden für Kreativität. Erfolgreiche und altgediente Musiker sind oft zu satt und zu komfortabel gebettet, um noch wirklich spannende Alben hinzubekommen.

Deshalb war für mich heute klar, daß ich nicht zu Noah & The Whale (die natürlich noch nicht zu satt, wenngleich schon früh vom Erfolg verwöhnt) ins Café de la Danse, sondern zu der jungen Leyli und ein paar anderen Artisten ins Café de Paris gehen musste.

Café de Paris, das klingt so mondän, aber die Musiker des heutigen Abends bekamen nicht den eigentlich Konzertsaal, der oben gelegen ist, sondern einen recht räudigen kleinen Kellerraum zugewiesen, in dem sich zwischen 20 und 30 linksalternative Mitbürger (fast alles Männer) versammelt hatten, um den experimentellen Noise und Hardcore Post-Rockern der französischen Band Meutre (der Mord) zuzuhören. Die dreiköpfige Band mit der hübschen Bassistin Elisa Pône klang teilweise richtig gruselig. Ihre auf französisch dahingerotzten Texte waren finster und gemein und der kurzhaarige Sänger schien oft regelrechte Tobsuchtsanfälle zu bekommen. Vati hätte mich hier nicht hingelassen. Meine Fresse! Es kamen auch seltsame Instrumente zum Einsatz zum Beispiel eine kleine aggressive Minitrompete, mit der die Band freejazzige Laute erzeugte, oder aber Megaphone, Stimmverzerrer, Vintagekeyboards, etc.

Mir gefiel das bizarre Konzert gut und ich kaufte ihre Demo-CD. Ich war übrigens der Einzige...




Dann kam Marie-Pascale Hardy aka Leyli. Eine Kanadierin aus Quebeq, die seit drei Jahren in London lebt und erst dort mit der Musik angefangen hat. Die hagere, großgewachsene Blondine ist noch ein fast unbeschriebenes Blatt, aber das könnte sich mit ein wenig Glück bald ändern. An Talent und guten Ideen mangelt es der Frau mit dem grünbemalten Gesicht jedenfalls nicht. Was sie heute vortrug, beeindruckte mich außerordentlich. Vielmehr noch: es berührte mich emotional zutiefst. Das zarte Mädchen sang so fragil und berührend, das mir ganz warm um Herz wurde. Sie verfügt über eine Hauchstimme à la Jane Birkin, kann stilistisch aber eher in die Ecke experimenteller Folk/Indierock im Stile von PJ Harvey und Scout Niblett gestellt werden. Sie selbst konnte mir hinterher gar nicht so recht ihren Stil beschreiben und kannte die allermeisten Musiker, die für mich vermeintlich halbwegs ähnlich klangen wie sie, gar nicht. Leyli sang übrigens abwechselnd auf französisch und englisch und spielte akustische und elektrische Gitarre, Ukulele und Keyboard. Zusätzlich hatte sie einen Schlagzeuger dabei, der ab und zu für etwas mehr Dampf sorgte. Alles war in moll gehalten, kam finster und geheimnisvoll daher, bisweilen fast gothisch. Authentisch und atemberaubend intim klang es immer. Zu Beginn des Konzertes waren vielleicht 5 Leute im Raum, dann in der Spitze 20. Aber durch diese zähe Anfangsphase ihrer Karriere muss Leyli jetzt durch und ich bin sicher, bald wird sie vor größerer Kulisse spielen. Ich war hinterher jedenfalls schwer angetan, habe heute meine persönliche Entdeckung des (freilich noch jungen) Jahres gemacht und das bisher beste, nahegehendste Konzert gesehen. Die brauchte ich für eine Oliver Peel Session!!

Hinweis: auf der Labelseite von Leyli kam man die auf 150 Exemplare limitierte Debüt Ep namnes Grey, Green, Grey, Grey, Green. Grey, Green, Grey and Green für 6 Euro käuflich erwerben.






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