Olöf Arnalds, Paris, 28.02.11


Konzert: Ólöf Arnalds (Cleo T.)
Ort: Studio des Champs-Elysées
Datum: 28.02.2011
Zuschauer: ausverkauft (230)
Konzertdauer: Olöf gut 80 Minuten, Cleo T. etwa 25 Minuten


Ins Theater gehe ich sehr selten. Wie denn auch, ich bin ja ständig auf Konzerten! Das letzte mal war ich Ende 2010 in der Zauberflöte und habe mich gräßlich gelangweilt. War ein Geschenk von Freuden, da konnte ich nicht absagen und mich auf ein Konzert verdrücken, obwohl an jenem Tag so viel tolle Gigs stattfanden.

Heute also wieder Theater, aber gleichzeitig auch ein richtiges Konzert. So passt mir das schon eher in den Kram, denn es ist ja eine feine Sache, wenn man ein schönes Ambiente mit einer musikalischen Darbietung (sofern es eben keine Opern sind) verknüpfen kann. Die letzte Musikerin, die ich in einem Theater gesehen habe, war Sophie Hunger und ihr Auftritt im Théatre de L'Atelier zweifelsohne furios.

Würde es heute wieder so hochklassig und emotional werden? Ich war gespannt und machte mich gegen 20 Uhr 15 zu Fuß auf den Weg, das Studio des Champs Elysées lag nicht allzu weit von mir entfernt. Aber ich hatte die Entfernung unterschätzt und auch die Tatsache, daß es hier pünktlich losgeht. Nur zwei andere Späteintrödler standen mit mir an der Rezeption und gaben ihren Namen an, damit man sie auf der Gästeliste wiederfinden konnte. Ich war da auch drauf, aber die beiden Mädels konnten meinen Namen nicht finden. "Einen Oliver haben wir hier nicht", sagten sie schulterzuckend, gaben mir aber dennoch kulanterweise (wir sind nun einmal in Frankreich und nicht in Deutschland) die Gratiskarte. Hinterher stellte sich raus, daß ich unter dem französisierten Namen Olivier eingetragen worden war und das hatte die beiden Mädels wohl überfordert. Sei's drum, war nicht das erste Mal, das so etwas passierte. "Isch biin doch gar kein Fransose! Oliwör, nischt Olivier, tu comprends?"

Der Platzanweiser führte uns nun durch ein paar Gänge und Treppen und bedeute uns dann sehr leise zu sein und auf den Klappstühlen Platz zu nehmen. Wir öffneten vorsichtig die schwere Türe und pflanzten uns auf die "Strapotins" wie man in Frankreich sagt. Ich stellte mich gewohnt ungeschickt an und schaffte es nicht ,dieses verfluchte Scheißding auseinandergeklappt zu kriegen. Erst nach ein paar Versuchen kam ich dahinter, wie man das Teil aufrichtet.

Ich glotzte auf die kleine Bühne und sah eine junge Frau in weißem (Braut?)-Kleid und einen männlichen Gitarristen, der sie begleitete. An ihrem Akzent beim Singen der englischen Texte erkannte ich, daß sie Französin sein musste. Ich schaute genauer hin und stellte fest, daß ich sie kenne. Woher nur? Nach kurzer Überlegung fiel es mir wie Schuppen von den Haaren. Klar, sie war damals Teil des gemischten Duos 21 Love Motel, an dem auch ihr damaliger Freund Frédéric D. Oberland beteiligt war. Und Frédéric kenne ich inzwischen sehr gut, denn er hat mit dem Projekt Farewell Poetry (mit seiner neuen Freundin Jayne) und auch unter seinem eigenen Namen (zusammen mit Dave Olliffe) bereits zwei wunderbare Oliver Peel Sessions eingespielt.

Schön, daß die brünette Ex von Frédéric mit der Musik weitergemacht hat. Cleo T. nennt sie sich nun geheimnisvoll und ihre Musik ist feenhaft, verwunschen, melancholisch und traumversunken. Zunächst störte ich mich an ihrem Akzent, aber als sie das letzte Lied des sehr kurzen Sets (25 Minuten ,von den ich 15 verpasst hatte) auf der Autoharp anstimmte, erlag ich doch ihrem Charme. Sie sang fast genau wie Marissa Nadler, so sinnlich, gefühlsduselig und gehaucht, das hatte schon was! Später erfuhr ich noch, daß sie im Februar auf deutschen Bühne unterwegs war (sogar im Gleis 22 in Münster und im Schokoladen in Berlin) und nun warte ich auf die Gelegenheit, sie mir irgenwann noch einmal in Paris anzusehen.

Der anschließende Umbau erfolgte im Dunkeln, man wollte wohl durch das Anmachen des Lichts nicht das Publikum dazu animieren, den Saal zu verlassen und dadurch Zeit zu verlieren.

Es ging also fast übergangslos weiter. Nun waren die Spots auf die Isländerin Olöf Arnalds gerichtet, die die Bühne mit eine großen Strauß roter Rosen betrat. Die Blumen passten farblich haargenau zu ihrem Kleid, was sicherlich kein Zufall war. Also ein perfekt durchgestylter Auftritt, optisch, wie musikalisch? Weit gefehlt! Schon bald gab Olöf Kostproben ihres ungewöhnlich trockenenen Humors preis, sprach englisch mit einem stark gerollten "r" (fast so wie es die Schotten tun), schnitt Grimassen und brachte das Publikum immer wieder mit Kalauern zum Lachen. Schon beim ersten Song verspielte sie sich ein wenig, was sie aber total locker nahm und erklärte, daß sie einfach Lust gehabt habe, dieses Lied zu bringen. In den Pausen zwischen den Stücken erzählte sie auch in der Folge oft witzige Anekdötchen, riet uns, sofern wir älter als 20 Jahre alt seien, nie mit den Eltern in den Urlaub zu fahren ("don't do this, this is not a good idea"), erzählte von den grimmigen Grindermann-Fans (Olöf hatte Nick Cave und seine Bande in Australien supportet), die sich lauthals beschwerten, Olöf habe bereits 10 Stunden gespielt (was natürlich maßlos übertrieben war) und solle doch jetzt Leine ziehen und von ihren Schwestern und ihrer strengen Mutter. Zudem fragte sie regelmäßig wie viel Uhr es sei, sie habe keinen Zeitsinn und auch keine Armbanduhr und ohnehin sei sie ein spontaner und ein recht chaotischer Mnesch. Eine Setlist hatte sie deshalb auch keine (was natürlich auch Bluff gewesen sein kann, um die Spontaneität zu unterstreichen) und performte deshalb auf zwei verschiedenen Akustikgitarren und einer Charango* was ihr gerade so einfiel. Und das war zum Beispiel ein Stück von Serge Gainsbourg (welches? ich habe es nicht erkannt, peinlich. Aber ich bin ja auch kein Franzose, selbst wenn sie mich hier Olivier nennen), ein Cover von Gene Clark (With Tommorow), ein anders von Bruce Springsteen (I'm On Fire, sehr gelungen), ein traditionelles irisches Folklied, ein Gedicht (Poem), ein Instrumentalstück das nicht länger als dreißig Sekunden dauerte und davon abgesehen ausschließlich auf isländisch gesungene Stücke, die von ihren beiden Alben stammten. Isländisch, jawohl! Wie das klingt? In meinen Ohren wie japanisch, aber Sprachwissenschaftler werden dies natürlich als Unsinn abtun. Auf jeden Fall hatte das Ganze eine exotische Klangfarbe. Und dann ihre Stimme. Sehr hoch und oft ein wenig an Kate Bush erinnernd, aber doch sehr sehr eigen. Wie ohnehin Olöf Arnalds eine Künstlerin ist, die man nicht so leicht kategorisieren kann. Vergleiche zu Björk passen in diesem Falle nicht so richtig, obwohl die berühmte Björk auf der Single Surrender ein wenig im Background mitsingt. Olöf zelebriert ihren ganz eigenen Folk und gerade die Tatsache, daß man ihre Lycris kein bißchen versteht (sie hätte heute auch singen können: "Franzosen sind alle arrogante Froschfresser", die Leute hätten trotzdem brav geklatscht) hat seinen besondern Reiz. Man ist gezwungen, sich noch mehr auf die Klangfarbe zu konzentrieren, Emotionen und besondere Betonungen herauszuhören und zu deuten, um so das Rätsel Olöf Arnalds ein klein wenig aufzulösen.



Die Frau ist faszinierend, in musikalischer wie in persönlicher Hinsicht. Charismatisch, witzig, aber auch einen Hauch unnahbar, warmherzig aber (vielleicht aufgrund ihrer hellblonden Haare) gleichzeitig vornehme Kühle ausstrahlend. Diese legte sie jedoch am Schluß komplett ab und warf die roten Rosen einzeln ins Publikum. Blumen für die Fans und zwar vom Musiker, wo gibt es so etwas?

Als ich sie später im Foyer sah und abknipste, wirkte sie fast wie eine moderne Marylin Monroe aus Rekjavik. Nun ja, zumindest ihre Lieder sind besser. Finde ich zumindest. Boo boo bee doo.

Klatsch & Tratsch: spotted: Jean-Benoît Dunckel (Air), Mathieu Malzieu (Dyonisos), Kim (französischer Sänger mit 19 (!) Alben auf der Habenseite). Die tranken zur Feier des Tages noch einen Absacker mit der Isländerin in der Kabine.

Fotos von Olöf Arnalds von Konzertfotografenzar Robert Gil, klick!

Schönster Song des Abends im Video: I Surrender:

Ólöf Arnalds - Surrender from Arni & Kinski on Vimeo.


* ein kurioses Instrument. Optisch zwischen großer Ukulele und Laute anzusiedeln, klanglich nahe an einer Harfe. Und die Rückseite macht man aus Tierleder von Armadillos.



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