Konzert: The National (Cross Linx Festival)
Ort: Muziekgebouw Eindhoven
Datum: 18.02.2011
Zuschauer: 1.500
Dauer: gut 95 min
Heute mittag hielt ich es plötzlich für eine sehr dämliche Idee, im Freitagsverkehr nach dem Arbeiten nach Eindhoven zu fahren, nur um da drei Bands zu sehen und nachts übermüdet zurückzukommen. Glücklicherweise halten solche Vernunftanfälle nie lange an, wir saßen also um fünf im Auto und fuhren zum Cross Linx Festival.
The National sind in den vergangenen drei, vier Jahren immer größer geworden und gehen mit dieser Rolle souverän um. Ihr letztes Album High Violet spätestens hat sie zu einer festen Größe nicht mehr nur in der Indieszene werden lassen, was solche fiesen Folgen wie Morgenmagazin Ankumpeleien von Cherno Jobatey mit sich brachte. Weit weniger fies, aber auch Folge der stetig wachsenden Bekanntheit, sind Headliner-Posten bei Festivals wie diesem, bei dem die Zielgruppe eben nicht das Indiepublikum eines Haldern-Wochenendes, sondern die kulturinteressierte Szene Eindhovens war. Im riesigen Saal saßen sicher sehr viele, die nie vorher von The National gehört hatten. Und genau das machte den Charme des Festivals aus.
Wir hatten uns zunächst reflexartig in eine der ersten Reihen des Stehbereichs gestellt (der in diesem Saal nicht vorgesehen war, es war vermutlich der ebene Orchestergraben; die Leute in den ersten Sitzreihen sahen jedenfalls von der Band nichts), dann aber überlegt, daß es neu und spannend sein könnte, sich weit nach oben zu setzen und von der Akustik des Konzertsaals berauschen zu lassen. Das taten wir, saßen schließlich fünf Meter über dem Mischpult und sollten schnell merken, daß die Entscheidung nicht dumm war.
The National spielen keine Musik für klassische Konzertsaale, sie haben ja nicht mal Glockenspiele im Programm. Die Amerikaner machen Rock*musik. Efterklang oder Owen Pallett vorher - das wäre naheliegend gewesen, eine laute Band in einem solchen Saal, ist eigentlich Verschwendung (des Saals). Aber das ist natürlich Unsinn; The National wirken überall gut, wichtig ist nur, daß sie sich rau und wenig produziert anhören. Und so war es, auch wenn man das noch nicht unbedingt von Beginn an merkte, weil da mit Runaway und Anyone's ghost zwei ruhigere Stücke kamen. Beide Titel hörten sich hervorragend in der atemberaubend guten Akustik des Saals an. Es war wie unter Kopfhörern. Die Stärke der Kombination The National/Muziekgebouw kam aber erst beim dritten Lied Brainy zur Geltung: der von Sänger Matt Berninger gegrummelte Refrain in glasklarem Klang, das war schon etwas ganz Besonderes! Und es ging so weiter... Squalor Victoria mit den Ausbrüchen des Frontmanns, mein Liebling Slow Show oder Apartment Story, Fake Empire, Mr. November aber auch Terrible Love vom aktuellen Album - roh wie in kleinen verwanzten Hinterhofclubs aber mit der brillanten Akustik eines Saals, der für Klassik-Orchester gebaut worden ist, das machte ganz viel Sinn und vor allem Spaß!
Zu Wasp Nest, dem Stück von der 2004er Cherry Tree EP, erschien Owen Pallett auf der Bühne. Bei dessen Konzert hatte der Kanadier noch dafür geworben, zu einem parallel zu The National stattfindenden Auftritt zu gehen, was mich zu dem Schluß führte, er möge die Amerikaner nicht. Offenbar ein Trugschluß: Matt Berninger stellte ihn als "unseren Freund Owen Pallett" vor, der dann bei einigen Lieder Geige spielte, allerdings sehr dezent im Hintergrund.
Das Konzert war musikalisch überragend, daran gibt es nichts zu diskutieren. Dem brillanten Klang hatten wir das wirkliche Konzertgefühl geopfert, das kann man aber durchaus einmal machen. Vor allem, weil wir gegen Ende dann doch noch mittendrin waren. Bei den Zugaben, als Mr. November anstand, kletterte der Sänger ins Publikum. Das ist ein alter Hut, wenn man die Band schon gesehen hat. Matt hatte aber jetzt besonders viel Auslauf, und den nutzte er. Er kletterte immer weiter nach oben und sang (und schrie) am Ende auf einem der Balkone sehr weit oben. Dummerweise führte die Tür an diesem Balkon nicht wieder auf direktem Wege zur Bühne, also musste sich der Amerikaner etwas anderes überlegen: er kletterte vorne über die Brüstung nach unten, indem er eine riesige Lücke von ein paar Metern überwand und einen schmalen Weg entlanghangelte - der geheime Bruder von Lara Croft.
Es ging gut, also werden wir auch weiter großartige Konzerte dieser Band sehen. Neben der Band von "diesem Typen mit der Nazifrisur"** ist The National sicher der beste große Act, den man zur Zeit sehen mag, sofern man guten Musikgeschmack hat.
Setlist The National, Cross Linx Festival, Muziekgebouw Eindhoven:
01: Runaway
02: Anyone's ghost
03: Brainy
04: Bloodbuzz Ohio
05: Slow show
06: Squalor Victoria
07: Afraid of everyone
08: Conversation 16
09: Lemonworld
10: Apartment story
11: Sorrow
12: Abel
13: Wasp nest
14: England
15: Fake empire
16: The geese of Beverly Road (Z)
17: Mr. November (Z)
18: Terrible love (Z)
19: Vanderlyle crybaby geeks (Z)
Links:
- aus unserem Archiv:
- The National, Wien, 18.08.10
- The National, Haldern, 14.08.10
- The National, Latitude-Festival, 16.07.10
- The National, Paris, 07.05.10
- The National, Haldern, 09.08.08
- The National, Montreux, 16.07.08
- The National, Köln, 27.11.07
- The National, Paris, 14.11.07
* ekelhaftes Wort; aber Pop trifft es ja wirklich nicht
** einer der köstlichen Kommentare über Arcade Fire nach deren Grammy-Gewinn
Ort: Muziekgebouw Eindhoven
Datum: 18.02.2011
Zuschauer: 1.500
Dauer: gut 95 min
Heute mittag hielt ich es plötzlich für eine sehr dämliche Idee, im Freitagsverkehr nach dem Arbeiten nach Eindhoven zu fahren, nur um da drei Bands zu sehen und nachts übermüdet zurückzukommen. Glücklicherweise halten solche Vernunftanfälle nie lange an, wir saßen also um fünf im Auto und fuhren zum Cross Linx Festival.
The National sind in den vergangenen drei, vier Jahren immer größer geworden und gehen mit dieser Rolle souverän um. Ihr letztes Album High Violet spätestens hat sie zu einer festen Größe nicht mehr nur in der Indieszene werden lassen, was solche fiesen Folgen wie Morgenmagazin Ankumpeleien von Cherno Jobatey mit sich brachte. Weit weniger fies, aber auch Folge der stetig wachsenden Bekanntheit, sind Headliner-Posten bei Festivals wie diesem, bei dem die Zielgruppe eben nicht das Indiepublikum eines Haldern-Wochenendes, sondern die kulturinteressierte Szene Eindhovens war. Im riesigen Saal saßen sicher sehr viele, die nie vorher von The National gehört hatten. Und genau das machte den Charme des Festivals aus.
Wir hatten uns zunächst reflexartig in eine der ersten Reihen des Stehbereichs gestellt (der in diesem Saal nicht vorgesehen war, es war vermutlich der ebene Orchestergraben; die Leute in den ersten Sitzreihen sahen jedenfalls von der Band nichts), dann aber überlegt, daß es neu und spannend sein könnte, sich weit nach oben zu setzen und von der Akustik des Konzertsaals berauschen zu lassen. Das taten wir, saßen schließlich fünf Meter über dem Mischpult und sollten schnell merken, daß die Entscheidung nicht dumm war.
The National spielen keine Musik für klassische Konzertsaale, sie haben ja nicht mal Glockenspiele im Programm. Die Amerikaner machen Rock*musik. Efterklang oder Owen Pallett vorher - das wäre naheliegend gewesen, eine laute Band in einem solchen Saal, ist eigentlich Verschwendung (des Saals). Aber das ist natürlich Unsinn; The National wirken überall gut, wichtig ist nur, daß sie sich rau und wenig produziert anhören. Und so war es, auch wenn man das noch nicht unbedingt von Beginn an merkte, weil da mit Runaway und Anyone's ghost zwei ruhigere Stücke kamen. Beide Titel hörten sich hervorragend in der atemberaubend guten Akustik des Saals an. Es war wie unter Kopfhörern. Die Stärke der Kombination The National/Muziekgebouw kam aber erst beim dritten Lied Brainy zur Geltung: der von Sänger Matt Berninger gegrummelte Refrain in glasklarem Klang, das war schon etwas ganz Besonderes! Und es ging so weiter... Squalor Victoria mit den Ausbrüchen des Frontmanns, mein Liebling Slow Show oder Apartment Story, Fake Empire, Mr. November aber auch Terrible Love vom aktuellen Album - roh wie in kleinen verwanzten Hinterhofclubs aber mit der brillanten Akustik eines Saals, der für Klassik-Orchester gebaut worden ist, das machte ganz viel Sinn und vor allem Spaß!
Zu Wasp Nest, dem Stück von der 2004er Cherry Tree EP, erschien Owen Pallett auf der Bühne. Bei dessen Konzert hatte der Kanadier noch dafür geworben, zu einem parallel zu The National stattfindenden Auftritt zu gehen, was mich zu dem Schluß führte, er möge die Amerikaner nicht. Offenbar ein Trugschluß: Matt Berninger stellte ihn als "unseren Freund Owen Pallett" vor, der dann bei einigen Lieder Geige spielte, allerdings sehr dezent im Hintergrund.
Das Konzert war musikalisch überragend, daran gibt es nichts zu diskutieren. Dem brillanten Klang hatten wir das wirkliche Konzertgefühl geopfert, das kann man aber durchaus einmal machen. Vor allem, weil wir gegen Ende dann doch noch mittendrin waren. Bei den Zugaben, als Mr. November anstand, kletterte der Sänger ins Publikum. Das ist ein alter Hut, wenn man die Band schon gesehen hat. Matt hatte aber jetzt besonders viel Auslauf, und den nutzte er. Er kletterte immer weiter nach oben und sang (und schrie) am Ende auf einem der Balkone sehr weit oben. Dummerweise führte die Tür an diesem Balkon nicht wieder auf direktem Wege zur Bühne, also musste sich der Amerikaner etwas anderes überlegen: er kletterte vorne über die Brüstung nach unten, indem er eine riesige Lücke von ein paar Metern überwand und einen schmalen Weg entlanghangelte - der geheime Bruder von Lara Croft.
Es ging gut, also werden wir auch weiter großartige Konzerte dieser Band sehen. Neben der Band von "diesem Typen mit der Nazifrisur"** ist The National sicher der beste große Act, den man zur Zeit sehen mag, sofern man guten Musikgeschmack hat.
Setlist The National, Cross Linx Festival, Muziekgebouw Eindhoven:
01: Runaway
02: Anyone's ghost
03: Brainy
04: Bloodbuzz Ohio
05: Slow show
06: Squalor Victoria
07: Afraid of everyone
08: Conversation 16
09: Lemonworld
10: Apartment story
11: Sorrow
12: Abel
13: Wasp nest
14: England
15: Fake empire
16: The geese of Beverly Road (Z)
17: Mr. November (Z)
18: Terrible love (Z)
19: Vanderlyle crybaby geeks (Z)
Links:
- aus unserem Archiv:
- The National, Wien, 18.08.10
- The National, Haldern, 14.08.10
- The National, Latitude-Festival, 16.07.10
- The National, Paris, 07.05.10
- The National, Haldern, 09.08.08
- The National, Montreux, 16.07.08
- The National, Köln, 27.11.07
- The National, Paris, 14.11.07
* ekelhaftes Wort; aber Pop trifft es ja wirklich nicht
** einer der köstlichen Kommentare über Arcade Fire nach deren Grammy-Gewinn
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