Konzert: Heresy Of The Free Spirit (Jozef van Wissem) & Damon & Naomi & Primordial Undermind
Ort: les Voûtes, Paris
Datum: 14.12.10
Zuschauer: vielleicht 70-80?
Verflucht! Hätte ich mir doch mehr Zeit gelassen, um zu wissen, wo die obskure Location "Les Voûtes" genau liegt. Abgehetzt und wieder recht spät dran, guckte ich nur ganz beiläufig auf einen Auszug von Google maps und sah, daß les Voûtes in der Nähe des Hausbootes Batofar gelegen seien. Ich notierte auch zur Sicherheit die (falsche, aber dennoch im Netz vermerkte!) Adresse 91 Quai Panhard et Levassor. Das würde ich schon finden, zur Not fragen.
Am Seine- Ufer in der Nähe der Bibliothèque François Mitterand angekommen, sah ich aber nur die mir bekannten Hausboote Dames de Canton und Batofar im Wasser schwimmen. Nichts deutete auf eine Undergound Location in der Nachbarschaft hin. Ich erkundigte mich nach "Les Voûtes", aber niemand konnte mir helfen. Die Leute, die im Batofar arbeiteten, schüttelten alle nur ahungslos mit dem Kopf. Seltsam war allerdings, daß sie noch nicht einmal den Quai Panhard et Levassor kannten, denn der lag in der Tat nicht weit entfernt. Man musste nur zurück auf die Uferstraße klettern, um ihn zu erreichen. Das half mir aber nicht viel, denn zunächst lief ich alter Trottel in die falsche Richtung und dann konnte ich partout keine Nummer 91 finden. Es gab sie einfach nicht! Der Quai hörte beiNummer 89 auf!! Meine Nachfrage bei den Leuten in den umliegenden Sushi-Restaurants ergab auch nichts. Les Voutes kannten sie nicht: "Noch nie gehört!" Ich latschte mehrfach die Gegend ab, rauf und wieder runter, ohne Erfolg. Ich fror unglaublich, denn es war eisig kalt in Paris in dieser trostlosen Dezembernacht. Einen Moment lang dachte ich daran, mit der U-Bahn wieder nach Hause zu fahren. Aber so leicht gab ich nicht auf! Ich schaute mir auf der Rückseite einer Bushaltestation einen Plan des Viertels an. Hinter dem letzten Gebäude des Quais war ein Ort eingezeichnet, der auf den mysteriösen Namen "Les Frigos", die Kühlschränke, hörte. Den Namen hatte ich schon einmal im Zusammenhang mit einer sagenumwobenen Underground-Location aufgeschnappt. Veranstaltete dort nicht etwa der Kerl, der auch in dem inzwischen wieder geschlossenen "Le Tunnel" (ich berichte hier von dieser saucoolen Location) Konzertabend organisierte? Ich war mir nicht sicher, aber mein Gespür sagte mir nun, daß Les Voutes irgendwo in der Nähe dieser Frigos liegen müssten. Ich erreichte einen gottverlassenen Autoparkplatz, zu dem ich über ein kleine Treppe gelangte. Meine alten Augen erblickten ein komplett mit Graffitti vollgeschmiertes Jugendzentrum, in dem noch Licht brannte. Ob ich hier richtig war? Menschen standen bei der Kälte keine draußen und der Name Les Voutes war auch nicht markiert. Ich zog frustiert wieder ab, in der Meinung, daß hier wohl auch nicht die gesuchten Konzerte stattfinden würden. Deprimiert kletterte ich die kleine Treppe wieder hoch und sah plötzlich zufällig den Flyer der Veranstaltung an einer Mauer hängen. Moment mal! Dann musste das Ganze doch hier irgendwo sein! Ich schlich zurück zu dem Zentrum und sah plötzlich einen Mann vor der Tür. Etwas verschüchtert fragte ich ihn nach les Voutes und er erklärte mir, daß ich einmal ganz um das Haus rumlatschen müsse, dann würde ich es schon sehen. Ich latschte und öffnete eine Tür, landete aber lediglich in einem großräumigen Café ohne Gäste. Der Wirt schickte mich ein Haus weiter und nun endlich, war ich dort, wo ich seit einer Stunde hinwollte! Nach Bezahlen des Eintrittspreises von 10 Euro gelang ich in einen röhren/tunnelförmigen Backsteinraum, an dessen Ende die Bühne war. Die Besucher saßen auf dem Boden oder auf den bequemen grünen Kinosesseln an der Seite. Ich entschied mich für den Sessel, taute nach der schlimmen Käte draußen schnell wieder auf und blickte nach vorne. Dort spielten gerade Damon und Naomi. Ein erlesenes Dreampop- Duo aus den USA und Gründungsmitglieder der Kultband Galaxie 500. Allerdings war ich hauptsächlich wegen des Lautespielers Jozef van Wissem und seinem Nebenprojekt Heresy Of The Free Spirit (Jozef plus zwei zusätzliche experimentelle Musiker) gekommen. Zu dumm nur, daß er mit seinem Set bereits durch war, weil er als Erster gespielt hatte! Hätte ich mir zu Hause den Plan nur etwas genauer angesehen, hätte ich die Loaction schnell gefunden und wäre pünktlich gekommen. So aber musste ich mit Damon und Naomi vorlieb nehmen. Deren Set war aber zumindest so schön, daß ich halbwegs vertröstet wurde. Ich kannte sie schon von einem früheren Konzert im Mains D'oeuvres und wusste, daß mich sehr langsame, ruhige und äußerst melancholische Musik erwarten würde. Darauf hätten sie 15 Jahre hingearbeitet, meinte dann auch Damon in einer witzigen Szene. "Von Jahr für Jahr versuchen wir langsamer und trauriger zu werden", erkärte er fast stolz und hielt hinterher auch musikalisch Wort. Die Stücke waren in der Tat alle in moll gehalten, schritten im Zeitlupentempo voran und schwebten förmlich durch den röhrenförmigen Raum. Der dreampoppige Charakter wurde noch dadurch unterstrichen, daß Naomi nur in Umrissen zu sehen war. Die Spots waren auschließlich auf Damon gerichtet.
Fragt mich bitte nicht nach Titeln, in dieser Hinsicht bin ich nicht fit. Ich weiß lediglich, daß sie Song To The Siren, ein Tim Buckley Cover gepielt haben. Am Merch gab's ne DVD, was für Romantiker zu Weihnachten, gelle?
Weniger romantisch dann aber Primordial Undermind. Ein kalifornisches, inzwischen in Wien lebendes Trio, das ich vorher nicht kannte, obwohl Wikipedia sagt, daß sie Kritikikerlieblinge und schon seit den späten 1980er Jahren unterwegs seien. Ihr beinharter Psychedelic Rock mit Postrockeinflüssen passte perfekt zur heutigen Underground Location. Instrumentelle Passagen wechselten sich mit Parts ab, bei denen gesungen wurde und auch beim Tempo, dem Grad der Verzerrung der Gitarre und des Basses und der Lautstärke variierten die drei sympathischen Raubeine wunderbar. Nicht selten wurde die Noisekeule geschwungen und die inzwischen nur noch relativ rar gesäten Zuschauer hatten ihre helle Freude an dem knackigen Set. Konsequenz der guten Resonanz beim Publikum war eine Zugabe, die mich fast die letzte U-Bahn verpassen ließ. Nur um Sackhaaresbreite erreichte ich den letzten Zug und tuckerte Richtung Heimat, wohlwissend, daß ich wieder einen guten Konzertabend in einer kultigen Location verbacht hatte. Und den Jozef van Wissem sehe ich dann halt wieder bei seinem nächsten Besuch in Paris!
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